Das Mittlere Management in Transformationen: Multiplikator oder Le/ähmschicht?

Timo Hoelzel May 3, 2021

Im vorletzten Blog Artikel unserer Reihe „Transformationen erfolgreich gestalten“ hat mein Kollege Christoph Ryser „Change-Killer“ beschrieben: Fehler oder Versäumnisse in Transformationsprozessen, die Veränderungen bremsen oder torpedieren. Als ein Change-Killer wurde das Unterschätzen der Rolle des Mittleren Managements bei Veränderungsprozessen genannt. Im heutigen Blogartikel möchte ich gerne die Rolle des Mittleren Managements vertiefen und ein paar Erfahrungen teilen, wie man diese erfolgskritischen Führungskräfte in Transformationen unterstützen kann.

Warum ist das Mittlere Management bei Transformationsprozessen so wichtig?

Nicht selten liegt der Fokus bei der Gestaltung von Transformationsprozessen auf dem Oberen Management und der Projektleitung. Zielbilder, Leitsätze, Strategien oder neue Strukturen, die das ganze Unternehmen betreffen, werden im kleinen Kreis definiert. Zur Umsetzung wird dann vor allem auf das Thema Kommunikation und Trainings via ansprechender Präsentationsfolien gesetzt. Wir sind überzeugt davon, dass echte Veränderung aber nur dann gelingt, wenn sich neue Ansichten, Gewohnheiten & Rituale und neue Formen der Zusammenarbeit auf allen Ebenen der Organisation etablieren und es dadurch insgesamt zu einem neuen Erleben des Arbeitsalltags kommt.
Dieses „Erleben des Alltags“ wird sehr stark von der Wahrnehmung und der Interaktion mit den „noch greifbaren“ Vorgesetzten geprägt. Deshalb spielt insbesondere das Mittlere Management eine erfolgskritische Rolle bei der Umsetzung von Veränderungsprojekten.

Die Führungskräfte des Mittleren Managements sind als operative Umsetzer diejenigen, die die Veränderung im Alltag umsetzen und verankern sollen. Als erster Ansprechpartner für ihre Mitarbeiter bekommen sie deren Ängste und Sorgen unmittelbar mit und können darauf gezielt eingehen. Gleichzeitig haben sie durch ihre Vorbildfunktion die Möglichkeit, Sicherheit und Zuversicht in ihren Teams zu vermitteln und können durch ein bewusstes Vorleben des Neuen, positive Veränderungsimpulse setzen. Da Emotionen ansteckend sind und insbesondere die emotionalen Signale von Führungskräften einen überproportionalen Einfluss auf die Stimmung in der Mannschaft haben, ist dem Mittleren Management außerdem die Rolle der Stimmungsmacher zuzusprechen, die somit auch die Grundgestimmtheit gegenüber der Transformation im Unternehmen maßgeblich beeinflussen.
Insbesondere die emotionale Komponente der eben beschriebenen Rollen ist essenziell für die erfolgreiche Gestaltung von Veränderungen. Und genau diese emotional-menschlichen Aspekte können nicht zentral oder aus dem Top-Management heraus gesteuert, sondern nur in der direkten zwischenmenschlichen Interaktion gestaltet werden. Aus diesem Grund sind Manager dieser Ebene so wichtig, denn entweder werden sie zu echten Multiplikatoren oder zur „Lehm/Lähm-Schicht“ der Transformation.

Warum ist die Rolle des Mittleren Managements aber so schwierig?

Das Mittlere Management zieht in Transformationen durch seine Sandwich-Position häufig den Schwarzen Peter. Es muss nicht selten die Entscheidungen von oben akzeptieren (ohne bei der Entstehung eingebunden gewesen zu sein, alle Einzelheiten zu kennen oder selbst bereits zu 100% überzeugt zu sein) und nach unten vertreten, um dann wiederum die Reaktionen und Emotionen auf die Entscheidungen entgegenzunehmen, ohne diese 1:1 nach oben weitergeben zu können. Die Situation insbesondere mit den emotionalen und zwischenmenschlichen Themen „alleine zu sein“, gepaart mit eigener Unsicherheit und möglichen Zweifeln am Transformationsvorhaben („was passiert eigentlich mit meiner eigenen Position und meinem Verantwortungsbereich?“), kann durchaus frustrierend und kräftezehrend sein.

Hinzu kommt, dass die Führungskräfte des Mittleren Managements die Transformation stemmen und gleichzeitig das Tagesgeschäft am Laufen halten sollen. Und genau in dieser durchaus anspruchsvollen und stressigen Situation wird von diesen Menschen noch zusätzlich erwartet, dass sie im Umgang mit ihren Mitarbeitern besonders empathisch, aufmerksam und begeisternd agieren, um die Menschen „mitzunehmen“ und die „Veränderung in der Organisation zu leben“.

Unserer Erfahrung nach wird die Komplexität der Aufgabe des Mittleren Managements häufig unterschätzt.  Man erwartet einfach, dass sie als „Manager“ mit Veränderungssituationen professionell umgehen können („sind ja Manager“). Allerdings sind im Bereich des Mittleren Managements erstens auch nur Menschen (Überraschung!) und zweitens Positionen häufig mit früheren Experten und/oder noch sehr jungen Personen besetzt, die noch wenig Erfahrung im Umgang mit Veränderungen und Menschenführung haben. Dieses Gesamtpaket führt schnell zu einem Gefühl der Überforderung und abnehmendem Commitment. Das Resultat ist, dass die aktive Gestaltung der Transformation auf Top-/Projekt-Management-Ebene verharrt und auf den nachfolgenden Ebenen dem Zufall und damit der Zeit überlassen bleibt. Um das zu vermeiden, empfiehlt es sich, die Führungskräfte – auch im Mittelbau – in Veränderungsprozessen persönlich zu unterstützen.

Führungskräfte als aktive Multiplikatoren unterstützen

Als Hilfestellung bekommen die Führungskräfte üblicherweise zwar (hoffentlich) durchdachte Kommunikationsunterlagen, die die Ratio hinter den Transformationsplänen anschaulich und verständlich erläutern, sodass sie aussagefähig gegenüber ihren Mitarbeitern sind. Viel wichtiger ist jedoch der offene Austausch zu den individuellen und bereichsspezifischen Herausforderungen.
Die wichtigsten Ansatzpunkte einer persönlichen Unterstützung sind dabei die Folgenden:

1. Hilflosigkeit vermeiden: Aktives Mitgestalten statt passives Abwarten

  • Manager aller Ebenen frühzeitig in den Veränderungsprozess mit einbeziehen, um Ihnen dadurch die Möglichkeit zu geben, selbst Einfluss zu nehmen und die Veränderung aktiv mitzugestalten
  • Formate für eine konstruktive Auseinandersetzung mit der Veränderung schaffen, um gemeinsam mit den Führungskräften daran zu arbeiten, die Transformationsziele auf den eigenen Bereich zu übertragen und die für den Manager relevanten Fragestellungen zu bearbeiten (z.B. Was bedeutet die Veränderung für mich ganz persönlich, für meine Einheit und für mein Interaktionsumfeld? Wo müssen wir uns wie weiterentwickeln)?

2. Aktive Vorbereitung auf emotionale Reaktionen und Auseinandersetzung:

  • Auf die „unangenehmen“ emotional-menschlichen Themen, die die Mitarbeiter im Zuge von Transformationen an die Führungskräfte herantragen, sind die Führungskräfte in der Regel am schlechtesten vorbereitet. Dem kann entgegengewirkt werden, indem mit Hilfe eines Sparringspartners oder im Kollegenkreis im Projektmanagement bewusst Zeit dafür eingeplant wird, die emotionalen Reaktionen zu antizipieren und Handlungsoptionen vorzubereiten (siehe hierzu den Blog Artikel von Marion Schreier).
  • Zusätzlich kann man Managern beim Umgang mit Emotionen helfen, indem man für sie die Emotionen der Mitarbeiter messbar und transparent macht, beispielsweise über „PulseChecks“ (siehe hierzu den Blog Artikel von Volker Abt)

3. Gegenseitige Unterstützung und kollektive Verantwortung sicherstellen:

  • Formate schaffen, in denen Manager ihre Sorgen und Ängste offen adressieren und besprechen können, sodass das Gefühl „allein kämpfen zu müssen“ gar nicht erst aufkommt. Dabei geht es aber nicht nur um Austauschrunden, sondern vor allem darum, ein Führungsteam zu entwickeln, das sich gegenseitig unterstützt, stärkt und berät, bei der Umsetzung der Transformation an einem Strang zieht und sich als Team für den Erfolg der Transformation verantwortlich fühlt. Dadurch gelingt es nicht nur Transformationen schneller und nachhaltiger zu realisieren, sondern auch als Führungsteam oder als Unternehmen gemeinsam an solchen Change-Projekten im Sinne des bereichsübergreifenden Teamgeists zu wachsen und vor allem zusammenzuwachsen.

Wenn wir große Transformationsprojekte unterstützen, ist die Begleitung der Schlüsselspieler – sowohl individuell als auch als TEAM – immer ein zentraler „Change-Baustein“ unserer Arbeit. Wir werden häufig gefragt, wie es uns gelingt, mit einer vergleichsweise geringen Anzahl an Beratern solch große Transformationsprojekte zu begleiten und erfolgreich zu gestalten. Eine Antwort auf diese Frage ist unser Fokus auf das gerade Beschriebene: als Sparringspartner befähigen wir die Schlüsselspieler, insbesondere des Mittleren Managements, als Multiplikatoren, die Veränderung in der Organisation von innen heraus zu gestalten und dort zu verankern.
In einem nächsten Blogartikel stellen wir unseren Schlüsselspieler-Ansatz etwas ausführlicher dar.

Vita-Schnipsel

  • Abschluss zum Diplom-Betriebswirt (International Business) und Master of Science (Finance)
  • Vertriebsmanager für Kanada und später Skandinavien bei Sirona Dental (heute Dentsply Sirona)
  • Vertriebsleiter für die AMERICAS und Teile Europas bei S.I.M.E.O.N. Medical
  • Seit 2019 bei der BBH

Für mich das Besondere an der bbh

Der Ansatz, der stets den Menschen in den Mittelpunkt des Geschehens rückt, die Professionalität des Beraterteams sowie die für den Kunden stets spürbare Freude am Arbeiten.